Beispiel Friseurhandwerk – im Sog der Billigdiscounter

In den letzten 10-15 Jahren hat die Friseurbranche ihr Gesicht verändert. Noch in der Generation zuvor war das Friseurhandwerk klar als eine Gemeinschaft solider Handwerker erkennbar, Familienunternehmen die mit ihren Mitarbeitern von ihrer Arbeit leben konnten. Heute ist die Branche zersplittert in familiengeführte Unternehmen, Luxusfriseure, Franchaisingkonzepte, Discounter, mobile Friseure, Billigfriseure, steuerbefreite Kleistunternehmen und zahllose Einzelkämpfer/innen.

Diese Entwicklung begann bereits um 1997. Seitdem hat die Zahl der Filialisten und Discountbetriebe rasant und unaufhörlich zugenommen mit diversen Auswirkungen für den gesamten Friseurmarkt.  (Quelle: WELLA EVA Basic Betriebsvergleich)

 

Der große Boom für die Discountfriseure kam mit der Umstellung auf den €uro. Schlagartig verzeichnete das Friseurhandwerk im gleichen Jahr einen Umsatzrückgang von 4,5 % ein Jahr später nochmals 4%.  Niedrigere Preise, ergeben zwangsläufig niedrigere Umsatzzahlen für die betreffende Branche.
(Quelle: WELLA EVA Basic Betriebsvergleich – Bundesamt für Statistik / Umsatzsteuerstatistik)
Quelle: Wella EVA Panel Betriensvergleich
In der Zeit von 2000 bis 2009 verzeichnete das Friseurhandwerk 19.5% Umsatzverlust und damit auch entsprechend weniger Umsatzsteuer für Vater Staat. Bei einem Branchenumsatz von rund 6  Milliarden, ist das ein stolzes Sümmchen das letztlich dem Allgemeinwohl fehlt.

Im gleichen Maß wie die Zahl der Discounter wuchs, leerten sich die Salons der familiengeführten Friseurbetriebe. Die Umsätze sanken, während sich die Energiekosten und andere Faktoren rasant verteuerten. Auf Grund der neuen, preiswerteren Konkurrenz wurden notwendige Preiserhöhungen nicht durchgeführt, Viele Betriebe gelangten immer mehr in eine wirtschaftliche Schieflage

Durch die drastischen Umsatzeinbrüche in den Jahren 2002 und 2003 mussten die Unternehmen notgedrungen reagieren und Stellen abbauen. In den Jahren zwischen 2000 und 2009 verloren 22,6 % der Friseure/innen ihren Arbeitsplatz.

Im Zeitraum 2000 bis 2009
19.5% Umsatzverlust im Friseurhandwerk, hervorgerufen auch durch Billiganbieter führten zu einem Rückgang von
22,6 % bei den Beschäftigten.

Beschäftigte ein durchschnittlicher Salon im Jahr 2000 noch 4,7 Mitarbeiter, so waren es im Jahr 2010 nur noch 3,0 Mitarbeiter pro Salon. (Quelle: WELLA, EVA Basic Betriebsvergleich)
Der Friseurmarkt beschäftigte im Jahr 2000 rund 300.000 Mitarbeiter, wir reden hier also von 60.000 Friseurinnen! Wie viele hiervon Unterstützung von der Agentur für Arbeit beziehen mussten, ist nicht bekannt.

Der Arbeitsmarkt galt zu dieser Zeit als problematisch, Einer der Lösungsversuche nannte sich „Ich AG“

Da im Friseurhandwerk nicht genügend offene Stellen für die Arbeitsuchenden zur Verfügung standen, wurde eine Vielzahl der Friseure/innen qualifiziert und zur Meisterschule geschickt, ebenso frischgebackene Gesellinnen denen direkt nach Lehrabschluss die Arbeitslosigkeit drohte. Schulgebühren wie Kosten des Lebensunterhalts für diese Zeit gingen zu Lasten der Versichertengelder. Aus zweierlei Hinsicht gilt das bis heute als drastische Fehlentscheidung, geändert wurde aber nur der Name des Ganzen. Aus „Ich AG“ wurde die Existenzgründung.

Die, auf Anordnung der Agentur für Arbeit durchgeführte Qualifikation, hatte natürlich zur Folge, das die frisch gebackenen Meister/innen ab sofort höhere tarifliche Lohnansprüche hatten und noch schwerer vermittelbar waren.

Dieses Problem wurde (wird bis Heute) durch günstige Konditionen zur Existentgründung plus Unterstützung zum Lebensunterhalt für die ersten Monate der Selbstständigkeit gelöst. Das kostet dem Sozialwohl kostbare Versichertengelder, den Friseurbetrieben weiteren Umsatz. Das Resultat ist eine von Jahr zu Jahr rasant steigende Zahl der Betriebsstätten, bei stagnierenden Bevölkerungszahlen hat jeder Salon dadurch deutlich weniger Kunden.

Im Zeitraum 2000 bis 2009 pumpte die Agentur für Arbeit trotz
19.5%Umsatzverlust 22,5 % neue Salons in den schrumpfenden Markt.
Quelle: deutscher Handwerkskammertag

2000 bis 2009

  • Das Billigangebot der Discount und Billigfriseure hatte zur Folge:
    19,5 % Umsatzverlust im Friseurhandwerk und weniger Umsatzsteuer
  • 60.000 Friseurinnen die aus dem Beruf gedrängt und teilweise von der Agentur für Arbeit unterstützt werden mussten
  • Fast 14.000 neue Friseurbetriebe von denen ein großer Teil über die Agentur für Arbeit finanziert wurde.
  • Die Kosten für die Meisterschule wurde ebenso wie der Lebensunterhalt für diese Zeit aus Versichertengeldern bezahlt.
  • ICH AG und Existenzgründung wurden aus der selben Quelle auf Darlehnsbasis günstig finanziert.
  • Noch heute erhalten die frischgebackenen Unternehmer/innen während der ersten Monate der Selbstständigkeit einen Zuschuss zum Lebensunterhalt.
  • Alles das finanzierten die Bürger mit Versichertengelder und Steuergelder, während Schwimmbäder, Büchereien und andere Einrichtungen schließen mussten…

Wie erwähnt ist die Zahl der Betriebe drastisch gestiegen. Hierbei handelt es sich zum großen Teil um neu gegründete Minibetriebe die unter Mithilfe der Agentur für Arbeit gegründet wurden, zum Teil von nur einer tätigen Person geführt werden. Auf Grund der Marktsituation ist an Wachstum kaum zu denken.

Diese Kleinstunternehmen werden seit einiger Zeit nicht mehr statistisch erfasst, eine politische Entscheidung um das Bild zu schönen. Trotzdem sind es im Jahr 2010 insgesamt 25.028 Kleinstunternehmen die einen Jahresumsatz von 375 Millionen €uro erwirtschaften ohne dafür Steuern zu bezahlen. Die Kehrseite hiervon sind die notwendigen Fördermittel des Staates welche von den Steuerzahlern aufgebracht werden müssen.

Lediglich 18,1% der Unternehmen erwirtschaften 61 % des Gesamtumsatzes des Friseurhandwerks, vorwiegend sind das die Discountbetriebe und Friseurketten.
Die Mehrzahl der Unternehmen muss sich den Rest der Kunden teilen, was zur Folge hat das 78,2 % der Unternehmen weniger als 20.000,- € Gewinn pro Jahr verzeichenen.
Das bedeutet: 78,2 % der Betriebsinhaber verdienen weniger als brutto 1.700,- € pro Monat.

Ein auskömmliches Einkommen erwirtschaften nur die Großen der Branche.
Lediglich 3,7 % der Unternehmen – und das dürften bei dieser Größenordnung fast ausschließlich Ketten und Discounter sein, – können einen Jahresgewinn von mehr als 60.000,- €uro verbuchen.

Wieviele Selbstständige in dieser Branche staatliche Hilfe zum Lebensunterhalt beziehen ist nicht bekannt. Die Zahl der Berechtigten steigt aber in vielen Branchen stetig.

Früher konnte ein Unternehmer von seiner Arbeit eine Familie ernähren, heute geht das auf Grund der Billigkonkurrenz oftmals nicht mehr.
Und die Verbraucher wundern sich das die Kommunen kein Geld mehr haben… allein die Stadt Düsseldorf meldete Anfang 2011 eine Erhöhung der Kosten für “Aufstocker” um 10 Millionen €uro / Jahr… aus der Stadtkasse finanziert.

Bis hierhin stellt sich die Frage wie weit ein vernünftiger Lebensunterhalt erwirtschaftet werden kann und wie weit die Kommunen hier Hilfestellung / Unterstützung gewähren (müssen).

Bekannt ist auch: viele inzwischen ältere Unternehmer greifen auf Ersparnisse und Versicherungen zurück um ihr Geschäft zu stützen und zu überleben. Im Hinblick auf die Altersvorsorge wiederum ein Bumerang, der auf die Betroffenen und die Allgemeinheit zurückkommen wird.

 

 


 

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